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Im Gedenken an Earl Bakken

Der legendäre Gründer von Medtronic ist auf Hawaii verstorben.

 

Earl Bakken photographed in Hawaii in a tropical-print shirt and shell necklace.

Earl Bakken


Earl E. Bakken, der Gründer von Medtronic, verstarb am Sonntag, 21.Oktober 2018 in seinem Haus auf Hawaii. Bakken galt als Pionier der Medizintechnik, dessen Innovationen das Leben von Millionen Menschen auf der ganzen Welt beeinflusste. Er wurde 94 Jahre alt. 

Omar Ishrak and Earl Bakken pose with the Micra Transcatheter Pacing System.

Omar Ishrak und Earl Bakken


"Wir bei Medtronic sind sehr erschüttert über den Tod von Earl Bakken”, sagt Omar Ishrak, Chairman und CEO von Medtronic. “Earl Bakken war ein echter Pionier im Gesundheitswesen, dessen Vision von Technologie und Innovation das Leben vieler Menschen verbesserte und uns auch heute noch inspiriert. Uns wird das Privileg zuteil, seine Arbeit, die vor mehr als 60 Jahren begann, fortzuführen und uns auch weiterhin den 6 Grundsätzen unserer Mission zu verschreiben."

Earl Bakken war ein echter Pionier im Gesundheitswesen.

– Omar Ishrak
The Minneapolis garage where Medtronic began.

Die Garage, in der alles begann


Schon früh war Earl Bakken von der Macht der Elektrizität fasziniert. Eine kindliche Faszination, die ihn letztendlich dazu inspirierte, Medtronic zu gründen.

Im April 1949 legte Bakken gemeinsam mit seinem Schwager Palmer Hermundslie, den Grundstein für ein Unternehmen. Bakken studierte damals Elektrotechnik. Seinen Unterhalt bestritt er, indem er Laborgeräte des Northwestern Krankenhauses in Minneapolis reparierte. Die Geschäfte gingen gut, also gab Bakken sein Studium auf. Hermundslie kündigte seinen Job bei einer Bauholzfirma. In der Garage im Nordosten von Minneapolis gründen sie eine Firma für die Reparatur von medizinischen Geräten, die sich später zu einem internationalen Medizintechnik-Unternehmen entwickeln sollte. 1957 entwickelte Bakken den ersten tragbaren, batteriebetriebenen Herzschrittmacher. 1960 vertrieb Medtronic den ersten implantierbaren Herzschrittmacher. Ab diesem Zeitpunkt wuchs Medtronic schnell. Heute verbessern Medtronic Produkte und Therapien das Leben von zwei Menschen pro Sekunde. 

Und alles begann damit, dass Earl Bakken von Frankenstein fasziniert war.

Ich hatte einen Onkel, der Elektriker war und immer zu meiner Mutter sagte: Du musst den Jungen davon abhalten mit Strom zu spielen. Er bringt sich sonst noch um.

– Earl Bakken
Earl Bakken's 85th Birthday Bash held at The Historic Heights Theater in Columbia Heights, Minnesota on December 2nd, 2008.

Das geschichtsträchtige Heights Theatre in Columbia Heights, 2008


In den frühen 1930ern, im Alter von 8 Jahren, besuchten Bakken und sein Freund regelmäßig die Nachmittagsvorstellungen am Samstag im Heights Kino in Columbia Heights, Minnesota – nicht weit gelegen vom heutigen Operational Headquarter von Medtronic.

Earl Bakken erinnert sich daran, dass ihn die Darstellung des verrückten Wissenschaftlers von Schauspieler Colin Clive besonders faszinierte. "Was mich am meisten interessierte, als ich den Film wieder und wieder ansah, war der kreative Funke, der von Dr. Frankensteins Elektrizität ausging", wird Bakken später zitiert, "Durch die starken Energieströme in seinen Laborgeräten, konstruierte der Wissenschaftler ewiges Leben."

Young Earl Bakken in the family basement.

Der junge Earl Bakken im Keller seiner Eltern


Zu Earls ersten "Entwicklungen" zählten aber zunächst Kuriositäten wie Zigaretten rauchende Roboter oder ein selbst gebasteltes Telefon für den schnellen Kontakt zum Freund im Nebenhaus.

Bei seiner Konfirmation im Jahr 1937 sagte der Pfarrer zu Bakken: "Nutze die Wissenschaft zum Wohl der Menschheit". Diese Worte sollte Bakken nie vergessen. "Ich habe später erkannt, dass dies sozusagen eine Botschaft Gottes war," sagte Bakken 2008.

Nachdem er als Radar-Spezialist im zweiten Weltkrieg gedient hatte, erwarb Earl Bakken einen Abschluss in Elektrotechnik an der Universität von Minnesota.

Earl Bakken working at the original Medtronic.

Earl Bakken an der Werkbank im "Ur"-Medtronic


Während seines Studiums begann Bakken mit der Reparatur empfindlicher Geräte der Laborausstattung des Northwestern Hospitals in Minneapolis. Als die Nachfrage nach seinem Service beständig wuchs, gründete er am 29 April 1949 eine Geschäftspartnerschaft mit seinem Schwager Palmer Hermundslie. Ihr Unternehmen tauften die beiden Medtronic.

Meine Erfüllung und, wie ich glaube, die Erfüllung und der Erfolg vieler Menschen bei Medtronic, ist, an der Genesung von Patienten und dem Wiedererlangen ihrer Gesundheit aktiv beteiligt zu sein.

– Earl Bakken
Hunter Mauston mit seinem externen Herzschrittmacher

Hunter Mauston mit seinem externen Herzschrittmacher


Die Geschäfte liefen mehr schlecht als recht. Durch ihren Reparturservice für medizinische Geräte jedoch knüpften Bakken und Hermundslie Kontakte zu Ärzten an der Uniklinik von Minneapolis, unter anderem zu C. Walton Lillehei, einem jungen Chirurgen, der später Berühmtheit als Pionier in der Herzchirurgie erlangte. Im Oktober 1957 kam es zu einem Stromausfall in Minneapolis, bei dem ein Kind, eines von Lilleheis Patienten, starb. Lillehei bat darauf Earl Bakken, einen Herzschrittmacher mit eigener Stromversorgung zu entwickeln. Nach ersten Experimenten mit einer Autobatterie griff Bakken schließlich auf einen damals neuartigen Stromkreislauf für Metronome zurück. Die Bauanleitung dafür hatte er im Magazin Popular Electronics gefunden. Innerhalb weniger Wochen war Bakkens Herzschrittmacher im Einsatz.

Medtronic war auf dem Weg von der Reparaturwerkstatt zum Hersteller medizinischer Geräte.  1960 wurde schließlich der erste implantierbare Herzschrittmacher bei einem Menschen eingesetzt. Bakken und Hermundslie schlossen einen Lizenzvertrag mit den Entwicklern des Produkts und übernahmen mit ihrem kleinen Unternehmen exklusive Herstellungs- und Marketingrechte für das Produkt. Medtronic nahm Fahrt auf.

The original Medtronic "Garage Gang" poses in front of Medtronic Operational Headquarters in Fridley, Minnesota.

Stehend: Dale Blosberg, Norman Hagfors, Earl Hatten.
Sitzend: John Bravis, Earl Bakken, Louis Leisch


Earl Hatten war der achte Mitarbeiter des kleinen Unternehmens: "Was ich besonders an Herrn Bakken mochte und was Medtronic dabei half so zu wachsen, ist die Tatsache, dass für die Jobs immer die passenden Leute ausgesucht wurden und man die Mitarbeiter stets förderte und mit  Verantwortung betraute. Viele CEOs tun das nicht, was sich letztendlich negativ auf das Wachstum des Unternehmens auswirkt."

In den folgenden Jahrzehnten wuchs Medtronic exponentiell und entwickelte sein Portfolio an Kardio-Geräten immer weiter.  Gleichzeitig weitete man die Produktpalette auf andere medizinische Bereiche wie die Behandlung von Diabetes, Hirnchirurgie oder Wirbelsäulentherapien aus. Heute beschäftigt das Unternehmen mehr als 86.000 Mitarbeiter weltweit.

Medtronic Operational Headquarters in Fridley, MN.Das Medtronic Operational Headquarter in Fridley, Minneapolis

Bakken leitete Medtronic 40 Jahre lang, erst 1989 zog er sich aus der Geschäftsleitung zurück.

“Wir sind damals nicht an den Start gegangen, um eines der größten Medizintechnik-Unternehmen der Welt zu werden,“ so Bakken. „Wir wollten nur das Leben von Patienten langfristig positiv beeinflussen“.

Auch im Ruhestand blieb Bakken in engem Kontakt mit Medtronic. Von bleibendem Eindruck wird immer seine Medtronic Mission sein.

Jeder Mitarbeiter erhält während seiner Zeit bei Medtronic eine Medaille, auf der die Medtronic Mission eingraviert ist.

Jeder Mitarbeiter erhält während seiner Zeit bei Medtronic eine Medaille, auf der die Medtronic Mission eingraviert ist.


Von Anfang an richtete Bakken seine unternehmerische Tätigkeit auch an humanitären Zielen aus. So legte er 1960 in den heute noch gültigen Unternehmensleitsätzen (die „Mission“) fest: Zielsetzung von Medtronic ist es, „einen Beitrag zum Wohle der Menschen zu leisten durch angewandte biomedizinische Technik zur Rehabilitation, Lebensverlängerung, Schmerzlinderung und Steigerung der Lebensqualität.“ Diese Mission prägt noch heute das tägliche Denken und Handeln von Medtronic Mitarbeitern weltweit. 

Earl Bakken ist einer der größten Visionäre in der Geschichte der Medizin.

– Bill George
Former Medtronic CEO Bill George and Earl Bakken.

Der ehemalige Medtronic CEO Bill George mit Earl Bakken


“Earl Bakken hatte eine ganzheitliche Vision zur Gesundheitsversorgung, nicht getrennt nach medizinischen Geräten oder Arzneimitteln. Er glaubte daran, die Gesundheit von Betroffenen wiederherstellen zu können.", sagte der frühere Medtronic CEO Bill George. “Deshalb war es ihm von Anfang an so wichtig, nicht nur ein Produkt zu implantieren, sondern den behandelten Patienten ein uneingeschränktes und aktives Leben zu ermöglichen. Diesen Ansatz manifestierte er für alle Medtronic Mitarbeiter durch die Mission. Earl Bakken ist einer der größten Visionäre der Medizingeschichte,” sagt George.

Earl poses at the Bakken Museum.

Earl Bakken im Bakken Museum


Während seines Ruhestands fand Bakken weitere Wege, die Mission zu leben.

1975 gründete er das Bakken Museum, eine gemeinnützige Bibliothek, ein Museum und ein Ausbildungszentrum in Minneapolis. Das Bakken Museum verschreibt sich der Geschichte der Elektrizität und des Magnetismus, sowie deren Nutzen für die Wissenschaft und Medizin.

1944 erbaute Bakken sein Haus auf Hawaii, wo er zum Chairman des Director Boards der Five Mountain Medical Community ernannt wurde, das für die Gründung des North Hawaii Community Hospitals verantwortlich ist.

Er war daran beteiligt Tutu’s House zu etablieren, ein Gemeindezentrum, das sich für die Unterstützung der Berufsausbildung und der Verbesserung der Gesundheit einsetzt. Ferner unterstützte das Kohala Zentrum, welches die Förderung wissenschaftlicher Ressourcen und Bildung fokussiert.

Bakken war Teil mehrerer philantropischer Projekte wie dem Na Kalai Waa Moku O Hawaii, Friends of the Future und das Imiloa: Astronomy Center of Hawaii.

Ein Lebenstraum wurde für Earl Bakken im Jahr 2013 wahr, als die Medtronic Philanthropy das Bakken Invitation-Programm gründete. Das Programm zeichnet Menschen aus, die mit medizinischen Geräten leben und positiven Einfluss auf das Leben anderer nehmen, indem sie soziale Aufgaben und Verantwortung für die Gesellschaft übernehmen. Bakken wurde in seinen späteren Jahren selbst zum Herzschrittmacher-Patienten und erhielt zudem einen Koronarstent, sowie eine Insulinpumpe. Er interessierte sich für besonders für den sozialen Einsatz der Patienten im Hinblick auf ihre gewonnene Lebenszeit durch medizinische Geräte. Jedes Jahr gibt es deshalb eine Verleihung, um diese besonderen Patienten zu ehren. „Ihre Geschichten sind so starke Erinnerungen daran, was wir alle geben können – egal wie unsere eigene Situation derzeit aussieht“, sagte er nach einem Treffen im Jahr 2014.

Earl poses with recipients of the Bakken Invitation in 2013.Earl Bakken mit den Bakken Invitation Preisträgern 2013

 

Jedes Jahr im Dezember nimmt die Organisation von Medtronic an einem weiteren von Earl Bakken inspirierten Programm teil- dem Employee Holiday Program. Das Unternehmen lädt dazu Patienten ein, ihre Geschichte zu teilen und zu erzählen, wie Medizintechnik ihr Leben verbessert hat. Mehrere hundert Medtronic Mitarbeiter nehmen dazu an einem Plenum im Medtronic Konservatorium teil, während mehrere tausend weltweit über Medtronic TV an den Bildschirmen zusehen.

Ron and Judy Brown with Earl Bakken on his 90th birthday.

Ron und Judy Brown mit Earl Bakken


Ron Brown, dem der erste Herzschrittmacher von Medtronic 1972 implantiert wurde, war der erste Patient, der das Holiday Program vertrat. 40 Jahre in Folge las Earl Bakken Browns Weihnachtsbrief den versammelten Mitarbeitern vor. Brown und Bakken, Patient und Entwickler, wurden enge Freunde.

“Dieser Mann ist eine Inspiration für so viele junge Menschen”, sagte Brown 2014. “Ich meine, mit ihm Zeit verbringen zu können, ist inspirierend. Er denkt die ganze Zeit daran, Probleme zu lösen. Als er das Unternehmen gründete und als er es weiter formte – die Verbesserung von Gesundheit war immer sein zentrales Bestreben. Eine solche Inspiration für andere zu sein, ist genauso großartig wie das, was er selbst erreicht hat.”

Earl with five-year-old pacemaker recipient Lyla Koch in 1984.

Earl Bakken mit der fünfjährigen Herzschrittmacher-Trägerin Lyla Koch, 1984


In seinen fortgeschrittenen Jahren wurde Bakken häufig darum gebeten, ein Resumé zu seinem Vermächtnis zu ziehen. “Wenn man alles zusammenzählt und Sie einem vollkommen genesenen Patienten begegnen – physisch, mental, sowie spirituell – und wir haben dazu beigetragen, kann man sich eine bessere berufliche Laufbahn vorstellen?“ sagte er.