Die renale Denervierung ist bereit für den klinischen Einsatz

Das Verfahren etabliert sich als eine der Standardtherapien bei Hypertonie

Das neue Positionspapier der European Society of Hypertension (ESH)1  und das Konsensuspapier deutscher Fachgesellschaften zur Zertifizierung von „Renalen-Denervations-Zentren“2  zeigen es deutlich: Die renale Denervierung (RDN) ist auf dem Weg, sich für ausgewählte Patienten als Standardtherapie bei Hypertonie zu etablieren. Gleichzeitig werden große Studienpopulationen wie das Globale Symplicity Register (GSR) immer wichtiger, weil sie die klinische Relevanz des Verfahrens für eine Vielzahl von Patientensubgruppen unter realen Bedingungen untersuchen.
Prof. Dr. Felix Mahfoud im Porträt

Die Arbeit der vergangenen Jahre hat sich gelohnt: Während es in den Europäischen Leitlinien zur Behandlung von Bluthochdruck3  aus dem Jahr 2018 noch heißt, die klinische Evidenz der RDN sei widersprüchlich, konnte das SPYRAL HTN Studienprogramm seit 2017 mit gut designten, sorgsam ausgeführten, randomisierten, schein-kontrollierten Studien4,5,6 und den GSR-Registerdaten die Wirksamkeit und Sicherheit der radiofrequenzbasierten RDN zur Senkung des Bluthochdrucks nachweisen. Dies war unter anderem Grundlage für das jüngst veröffentlichte ESH-Positionspapier. 

Die ESH bewertet RDN als eine „evidenzbasierte Option zur Behandlung von Bluthochdruck, zusätzlich zu Lebensstiländerungen und blutdrucksenkenden Medikamenten.“  Die Wirkung der RDN unterscheidet sich dabei von der Wirkdauer von Medikamenten und senkt den Blutdruck kontinuierlich über den gesamten Tagesverlauf. Dieser durchgehend über 24 Stunden anhaltende „Always-on“-Effekt hat wahrscheinlich positive Auswirkungen auf die kardiovaskulären Risiken von Hypertoniepatienten.

RDN wirkt bei einer Vielzahl von Hypertonikern

Die Wirksamkeit der RDN wurde bei einer Vielzahl von Hypertonikern mit leichter bis zu schwerer Hypertonie, sowohl mit als auch ohne begleitende antihypertensive Medikation nachgewiesen. Für die klinische Effektivität der radiofrequenzbasierten RDN lohnt sich der Blick in das GSR-Register. Die Forscher haben bestimmte Subgruppen mit Hilfe einer Win-Ratio-Analyse aus systolischer Praxis-Blutdruck- und ambulanter Messung sowie der Medikamentenbelastung untersucht. „Patienten mit und ohne Diabetes, mit und ohne chronische Niereninsuffizienz sowie Patienten älter und jünger als 65 Jahre haben gleichermaßen von einer RDN profitiert“, erläutert Prof. Dr. Felix Mahfoud, Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg/Saar. Interessante Erkenntnisse ergeben sich auch für die Gruppe der Patienten mit schwerer Hypertonie: „Schaut man sich die Patienten mit drei und mehr Medikamenten und einem systolischen Ausgangsblutdruck von mehr als 150 mmHg an, sieht man mit RDN eine systolische Blutdrucksenkung von 20 - 25 mmHg. Die Blutdrucksenkung hängt maßgeblich vom basalen Blutdruck ab“, fasst Mahfoud zusammen. 

RDN senkt den Blutdruck dauerhaft

Das GSR-Register beantwortet auch die Frage, wie anhaltend die radiofrequenzbasierte RDN wirkt. Für n=2652 ergab die systolische 24-Stunden-Blutdruckmessung nach drei Jahren eine Senkung um 8,9 mmHg und bei Patienten mit schwerer Hypertonie um 8,7 mmHg.8 Dabei lässt sich über den Zeitverlauf sogar eine Zunahme des blutdrucksenkenden Effekts beobachten: „Die systolische Praxis-Blutdrucksenkung liegt im Schnitt nach einem halben Jahr bei 10 mmHg und steigert sich über den Zeitraum von drei Jahren auf ca. 17 mmHg. Ähnliche Veränderungen über die Zeit erheben wir auch für den Langzeitblutdruck: Dort beginnt die Senkung bei 7-8 mmHg an und geht dann hoch auf 12 - 13 mmHg“, erläutert Mahfoud. Die ESH bescheinigt dem RDN-Verfahren - mit Verweis auf das GSR - einen dauerhaften antihypertensiven Effekt.9

Die systolische Praxis-Blutdrucksenkung liegt im Schnitt nach einem halben Jahr bei 10 mmHg und steigert sich über den Zeitraum von drei Jahren auf ca. 17 mmHg.

Prof. Dr. Felix Mahfoud

Die Gretchenfrage lautet jedoch: Wie hält es RDN mit der Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse? In Ermangelung von spezifischen Studien hilft auch hier eine Analyse der beobachteten klinischen Ereignisse aus dem GSR nach drei Jahren, die mit einer modellierten Kontrollgruppe verglichen wurden.10 Für die gesamte Studienkohorte, die mit radiofrequenzbasierter RDN behandelt wurde, ergab sich eine relative Risikoreduktion von 26 % bei den schweren unerwünschten kardiovaskulären Ereignissen über einen Zeitraum von drei Jahren, für Patienten mit schwerer Hypertonie lag die Reduktion bei 34 % im selben Zeitraum.11 Auf Basis dieser Modellierungen kommt die ESH zum Schluss, dass die RDN die kardiovaskulären Prognose von Bluthochdruckpatienten positiv mitbeeinflussen kann.12

RDN ist nachweislich sicher

Die ESH stuft die RDN auf Basis der verfügbaren Daten bis zu 3 Jahren als sicheres endovaskuläres Verfahren ohne signifikante kurz- oder langfristige unerwünschte Wirkungen ein.13  Im Vergleich zu anderen Verfahren kann die radiofrequenzbasierte RDN die geräte- oder prozedurbezogene Sicherheit durch RCTs und durch das umfangreiche Register belegen. „Das GSR zeigt, dass das Verfahren langfristig sehr sicher ist und, dass dieses Verfahren auch bei Patienten mit Komorbiditäten zum Einsatz kommen kann“, führt Mahfoud aus und verweist in auf eine kürzlich publizierte Metaanalyse zur radiofrequenzbasierten RDN mit 5.769 Probanden und einer Nachbeobachtungszeit von 10.249 Patientenjahren.14  Es gab nur sehr wenige vaskuläre Ereignisse (z. B. Nierenarterienstenosen) nach einer RDN mit dem am häufigsten verwendeten Radiofrequenz-Kathetersystem. „Da liegen wir unter 1%“, sagt Mahfoud.

Das GSR zeigt, dass das Verfahren langfristig sehr sicher ist und, dass dieses Verfahren auch bei Patienten mit Komorbiditäten zum Einsatz kommen kann.

Prof. Dr. Felix Mahfoud

Stellenwert von RDN im Therapieschema

Mit dieser Studienlage sind jetzt die Weichen gestellt, um die RDN in die klinische Anwendung zu überführen. „Das sind schon sehr konsistente Ergebnisse. Wir müssen anerkennen, dass wir drei Therapieoptionen für Hypertonie haben: Lebensstilmodifikation, antihypertensive Medikation und RDN“, führt Mahfoud aus. RDN sei jedoch keine First-Line-Therapie, sondern „ein ergänzendes Verfahren, das für ausgewählte Patienten mit unkontrollierter Hypertonie eine echte Alternative sein kann.“ Im Einklang mit dem ESH-Positionspapier15  plädiert Mahfoud für eine individualisierte Behandlungsstrategie unterstützt durch einen gemeinsamen Entscheidungsprozess mit dem Patienten: „Es muss in Abhängigkeit des Therapiewunsches des Patienten geprüft werden, ob eine RDN für den individuellen Patienten mit unkontrollierter Hypertonie von Vorteil sein kann. Ich glaube, dass uns die Studien diese Freiheit geben. Wir haben eine große Bandbreite von Patienten untersucht, die von diesem Verfahren profitieren können.“

Ausblick für die klinische Praxis

Ein weiteres deutliches Zeichen dafür, dass RDN auf dem Weg zum Standardverfahren ist, ist die Forderung des ESH-Positionspapiers nach einem strukturierten Zertifizierungsverfahren von qualifizierten Zentren. Für Deutschland haben die einschlägigen Fachgesellschaften (Deutsche Gesellschaft für Kardiologie, Deutsche Hochdruckliga, Deutsche Gesellschaft für Nephrologie) in einem Konsensuspapier bereits Zertifizierungskriterien für so genannte „Renale-Denervations-Zentren“ vorgelegt.16

Mit Spannung kann man nun auf die Bewertung von RDN in den künftigen Leitlinien warten. Die ESH erklärt dazu, dass man u.a. die zweite Generation scheinkontrollierter RCTs berücksichtigen müsse, die bei der Publikation der 2018 Leitlinien nicht vorlagen. RDN senke sicher den Blutdruck, was zu einer Verringerung schwerer kardiovaskulärer Ereignisse führen kann.17  „Ich denke, man wird sich sehr kritisch anschauen, ob eine Klasse III Empfehlung mit der jetzt vorliegenden Evidenz noch zu halten ist“, meint auch Mahfoud. Mit der gepowerten SPYRAL-HTN ON MED Studie18  steht derzeit noch ein weiterer Baustein aus, um die Wirksamkeit und Sicherheit der radiofrequenzbasierten RDN auch bei Patienten mit unkontrollierter Hypertonie trotz antihypertensiver Medikation nachzuweisen. Die Ergebnisse werden noch in diesem Jahr erwartet.

Referenzen

1

Schmieder R et al. J Hypertens 2021; 38:000–000. DOI:10.1097/HJH.0000000000002933

2

Mahfoud, F et al. Kardiologe (2021). DOI : 10.1007/s12181-021-00492-7

3

Williams B et al. J Hypertens 2018; 36:1953–2041.

4

Townsend RR et al. Lancet 2017; 390: 2160–70. DOI: 10.1016/S0140-6736(17)32281-X.

5

Kandzari DE et al. Lancet 2018;391:2346-2355. DOI: 10.1016/S0140-6736(18)30951-6.

6

Böhm M et al. Lancet 2020; May 2;395(10234):1444-1451. DOI: 10.1016/S0140-6736(20)30554-7. 

7

Schmieder R et al. J Hypertens 2021; 38:000–000. DOI:10.1097/HJH.0000000000002933, S. 7.

8

Mahfoud F et al. J Am Coll Cardiol 2020; 75:2879–2888.

9

Schmieder R et al. J Hypertens 2021; 38:000–000. DOI:10.1097/HJH.0000000000002933, S. 4

10

Pietzsch JB et al. Am Coll Cardiol 2021;15358; Session 2123.

12

Schmieder R et al. J Hypertens 2021; 38:000–000. DOI:10.1097/HJH.0000000000002933, S. 5

13

Schmieder R et al. J Hypertens 2021; 38:000–000. DOI:10.1097/HJH.0000000000002933, S. 5

14

Townsend RR et al. EuroIntervention 2020 May 20;16(1):89-96. DOI: 10.4244/EIJ-D-19-00902.

15

Schmieder R et al. J Hypertens 2021; 38:000–000. DOI:10.1097/HJH.0000000000002933, S. 7

16

Mahfoud, F et al. Kardiologe (2021). DOI : 10.1007/s12181-021-00492-7

17

Schmieder R et al. J Hypertens 2021; 38:000–000. DOI:10.1097/HJH.0000000000002933, S. 6

18

NCT02439749