Mit dem Bandscheibenvorfall kam die Inkontinenz

Barbara erzählt ihre Geschichte.

Barbara Auerbach, 69, war gerade 49 Jahre alt, als sie 2000 ein Bandscheibenvorfall ereilte. Die Spinalkanalstenose, die sich dadurch entwickelte, war so massiv, dass ihr rechtes Bein Lähmungserscheinungen davontrug. Und ein weiteres Problem tauchte auf, das sie über zehn Jahre lang in ihrem Alltag deutlich beeinträchtigen würde: Die geschädigten Nerven brachten eine Blasen- und Darmfunktionsstörung mit sich. Diese sorgte dafür, dass sie Urin und Stuhl nicht mehr willentlich kontrollieren konnte. Pragmatisch wie Barbara ist, machte sie damals das Beste daraus. Sie schuf Strukturen für ihren Alltag, um peinliche Vorfälle so gut wie möglich zu vermeiden. Wenn doch mal etwas passierte, ging sie offen und humorvoll damit um. Erst 2008 erfuhr sie, dass es mit der InterStim sakralen Neurostimulation eine hilfreiche Therapie gegen die Inkontinenz geben könnte. Nach einer erfolgreichen Testphase ließ sie sich operieren. Seitdem ist die Kontinenz wiederhergestellt und auch das Gefühl im rechten Bein ist zurück. Nun führt sie wieder ein fast normales Leben und widmet sich ihrem „besten Stück“, ihrem Garten.

Ein Fehltritt mit Folgen

Die Auerbachs sind leidenschaftliche Dauer-Camper. Vor Pfingsten im Jahr 2000 waren sie gerade wieder in Mecklenburg auf ihrem Campingplatz, als sich Barbaras gesundheitliche Situation von einem Moment auf den anderen veränderte. Sie wollte nur kurz zurück in den Wohnwagen, verfehlte mit einem Fuß die Stufe und erlitt einen Bandscheibenvorfall. Barbara hatte vorher zwar Rückenprobleme gehabt, aber nicht massiv. Nun hatte sie plötzlich kein Gefühl mehr in den Beinen. Die Familie fuhr Barbara ins Krankenhaus, wo sie sofort operiert wurde. Nach der OP erfuhr Barbara, dass der Bandscheibenvorfall zu einer Spinalkanalstenose geführt hatte. Diese Verengung des Wirbelkanals sorgt dafür, dass die Nervenbahnen nicht mehr genug Platz haben und in Mitleidenschaft gezogen werden. Wie Barbara feststellen musste, hatte das Auswirkungen auf ihre Beinmuskulatur: „Das rechte Bein war nicht in Ordnung. Ich konnte nicht richtig stehen“, beschreibt sie ihre Wahrnehmung nach der Rehabilitation. Zu dem Zeitpunkt wusste sie noch nicht, dass die Stenose auch die Funktion der Sakralnerven beeinträchtigen können, die für die Steuerung der Beckenorgane wie Blase und Darm benötigt werden. 

Von Monat zu Monat verschlechterte sich Barbaras Situation. Eineinhalb Jahre nach der Operation hatte die Narbenbildung für eine Lähmung im rechten Bein, vom Nabel an nach unten, gesorgt. Und ein weiteres Problem stellte sich ein: Sie entwickelte eine Blasenentleerungsstörung und konnte den Stuhl nicht mehr kontrollieren. Bei einem Termin in der Neurochirurgie wurde ihr bestätigt, dass dies die Folge ihres Bandscheibenvorfalls sein könnte. Barbara wurde ein Grad der Behinderung von 30% bescheinigt, darüber hinaus erhielt sie keine weiteren Hinweise auf Behandlungsoptionen. „Damit war das für die Ärzte erledigt“, schildert sie ihre Erfahrungen. Der Urologe, den sie aufsuchte, verschrieb Barbara Tabletten, die sie bei der vollständigen Blasenentleerung unterstützen sollten. „Das war ok, hat aber das Problem nicht gelöst“, erinnert sich Barbara.

„Ich habe mich mit der Erkrankung arrangiert.“

Lange Zeit war Barbara der Überzeugung, dass es keine Lösung für ihre Krankheit gibt. Sie tat das, was die meisten Betroffenen tun: „Jahrelang habe ich mich damit arrangiert und selbst gehandelt. Es gab offenbar keine Alternative für mich. Die Ärzte konnten mir nicht helfen“, berichtet sie. 

Barbara hatte immer Ersatzkleidung dabei und nutzte Inkontinenzeinlagen. In ihrem Beruf als medizinische Fußpflegerin ging sie immer zwischen den Kundenterminen vorbeugend auf die Toilette. „Da ist das wenigste passiert“, erinnert sie sich. Unterwegs achtete sie auf gute Parkmöglichkeiten, kurze Wegstrecken und Toiletten auf dem Weg. Manchmal passierte trotz aller vorbeugenden Maßnahmen doch mal etwas. Dann ließ sie beim Einkaufen den Einkaufswagen stehen, ging nach Hause, zog sich um und kehrte später zurück, um zu bezahlen. Auch bei Restaurantbesuchen hatte Barbara ihre eigene Routine entwickelt, um sich abzusichern: „Bei der Ankunft bin ich vorbeugend auf die Toilette, dann zwischendurch und noch einmal vor der Fahrt nach Hause.“

Im Familien-, Freundes- und Kundenkreis ging Barbara offen mit ihrer Erkrankung um. „Alle wussten Bescheid. Das hat mir geholfen. Wenn mal etwas schief ging, habe ich es mit Humor genommen und gemeinsam mit den anderen gelacht.“

Acht Jahre nach ihrem Bandscheibenvorfall erhielt Barbara dann erstmals einen Hinweis, der sie weiterbrachte. Trotz aller akribischer Vorbereitung hatte sie bei der frauenärztlichen Untersuchung Stuhl verloren. „Die Frauenärztin sagte zu mir: Mensch, Frau Auerbach, suchen Sie sich einen Proktologen. Ich wusste damals gar nicht, was das ist“, erinnert sie sich heute.

Sakrale Neuromodulation: „Wie gut, dass das erfunden wurde.“

Nach acht Jahren Vermeidung und Vorbeugung war Barbara nun endlich bei einer proktologischen Fachärztin, die sich mit Blasen- und Darmfunktionsstörungen auskannte. Zum ersten Mal hörte sie nun vom InterStim Neurostimulator, der durch sanfte elektrische Impulse die sakralen Nerven beeinflusst, damit sie die Steuerung des Beckenbodens, Harntraktes und des Darms wieder übernehmen.

Überzeugend fand Barbara, dass es eine mehrwöchige Testphase geben sollte, bevor es zur eigentlichen Implantation kam: „Mit der Testphase wurde geprüft, ob die Therapie bei mir überhaupt hilft. Ok, dachte ich, dann probierst du es aus“, entschied Barbara damals. Und tatsächlich schlug der Test gut an. „Ich merkte auf einmal wieder, wenn ich auf Toilette musste. Der Erfolg war noch nicht so intensiv, aber schon ein guter Vorgeschmack auf das, was dann die abschließende Operation brachte“, schildert Barbara ihre Erfahrungen.

Als ich nach der Operation aufstehen durfte, merkte ich plötzlich, dass ich wieder auf meinem rechten Bein stehe. Zum ersten Mal seit zehn Jahren gehorchte mir mein Bein wieder. (...) Ich merkte wieder wie früher, dass ich auf die Toilette muss. Der Effekt war noch besser als in der Testphase.

Barbara

Im Februar 2010 fand die minimal-invasive Implantation des InterStim Schrittmachers statt. „Als ich nach der Operation aufstehen durfte, merkte ich plötzlich, dass ich wieder auf meinem rechten Bein stehe. Zum ersten Mal seit zehn Jahren gehorchte mir mein Bein wieder“, erinnert sich Barbara. Und auch die Kontinenz kehrte zurück: „Ich merkte wieder wie früher, dass ich auf die Toilette muss. Der Effekt war noch besser als in der Testphase.“

Barbaras Kontinenz ist wiederhergestellt, aber sie musste erst wieder lernen, wie man „normal“ auf Toilette geht. Jahrelang war sie vorbeugend auf Toilette gegangen und hatte dabei gedrückt. „Ich musste mindestens ein halbes Jahr lang die Blasen- und Darmmuskulatur trainieren, wieder einzuhalten“, erzählt sie. Und auch der Kopf ist noch im Trainingsprozess: „Es ist heute noch so beim Einkaufen. Da denke ich plötzlich: Jetzt könnte es wieder passieren. Dabei ist das alles zehn Jahre her.“

Natürlich ist nicht alles wie vor dem Bandscheibenvorfall. Dafür waren die Schädigungen zu massiv. Aber mit wenigen Einschränkungen führt Barbara nun wieder ein normales Leben. Sie nimmt an Fitnesskursen teil, macht den Taxidienst für die Handball spielenden Enkelkinder, sie kocht und bewirtet gerne Familie und Freunde, und sie arbeitet mit Hingabe in ihrem geliebten Garten. „Ich habe keine Langeweile. In meinem Leben gibt es immer etwas zu tun. Den Neurostimulator vergesse ich im Alltag. Ich denke eigentlich nur bei Arztterminen daran. Dieses Gerät ist für mich das Beste, was je erfunden wurde.“