Bewusstlosigkeit und Herzmonitor Interview mit einer Expertin

Interview mit Dr. med. Karin Rybak, MVZ Dessau
Fachärztin für Innere Medizin, Kardiologie und Angiologie
Mitglied in nationalen und internationalen Fachgesellschaften

 

Bewusstlosigkeit – laut Statistik ist jeder zweite Mensch einmal in seinem Leben betroffen. Besonders belastend wird es, wenn solche Ohnmachten immer wiederkehren.

Die Ohnmacht an sich ist nur das Symptom. Wichtig ist es die Ursache zu finden und diese zu behandeln.

Dr. Karin Rybak, praktizierende Ärztin und Expertin auf dem Gebiet, berichtet von ihren Erfahrungen mit Betroffenen und erklärt, was genau eine sogenannte Synkope ist und welche Ursachen dahinterstecken können.

Die Ursachen sind vielfältig und oftmals schwierig nachzuweisen. Insbesondere herzbedingte Synkopen können lebensbedrohlich sein und müssen dringend abgeklärt werden. Was ein Herzmonitor ist und wie der Herzmonitor auf der Suche nach Herzrhythmusstörungen als Ursache der Synkope helfen kann, erfahren Sie in diesem Interview.

Dr. med. Karin Rybak

Dr. med. Karin Rybak, MVZ Dessau

In Ihrer Praxis sehen Sie häufig Patienten mit wiederkehrenden Ohnmachten. Wie erleben Sie diese Patienten?

Dr. med. Karin Rybak: Die Patienten haben zum Teil einen jahrelangen Leidensweg hinter sich, mit vielen Arztbesuchen und Krankenhausaufenthalten, ohne zu wissen, warum sie immer wieder umfallen. Durch die ständigen Besuche in medizinischen Einrichtungen werden sie manchmal als Simulant "abgestempelt. Das alles geht nicht zuletzt zulasten der Lebensqualität. Am Ende werden sie zu stigmatisierten und ängstlichen Patienten. Viele der Betroffenen entwickeln eine Depression.

Am Ende werden die Betroffenen oft zu stigmatisierten und ängstlichen Patienten. Viele entwickeln eine Depression.

Dr. med. Karin Rybak

Wer ist am häufigsten von solchen Bewusstlosigkeiten betroffen?

Dr. med. Karin Rybak: Statistisch erleidet jeder zweite Mensch im Laufe seines Lebens eine Bewusstlosigkeit. Alle Altersgruppen können betroffen sein, allerdings nehmen Synkopen im höheren Alter zu. Beide Geschlechter erleiden Synkopen, Frauen haben dabei häufiger als Männer wiederholte Bewusstlosigkeiten.

Was genau versteht man unter einer sogenannten Synkope?

Dr. med. Karin Rybak: Es gibt einige Synonyme in der "Laienmedizin", wie z.B. Ohnmacht oder Kollaps, für diesen Zustand. Eine Synkope ist medizinisch definiert als ein plötzlich eintretender Bewusstseinsverlust, der nur kurz andauert und von allein wieder aufhört. Der Bewusstseinsverlust entsteht durch eine zeitweise Minderdurchblutung des Gehirns.

Was können Ursachen dafür sein? Und wie gefährlich sind diese? Handelt es sich um einmalige Erlebnisse oder treten Synkopen immer wieder auf?

Dr. med. Karin Rybak: Die Ursachen für Synkopen sind vielschichtig: Sie können harmlos, ernsthaft und nicht lebensgefährlich oder aber auch lebensbedrohlich sein. Es kann sich um ein einmaliges Ereignis handeln oder immer wieder passieren.

Man unterscheidet ursächlich mehrere Arten von Synkopen:

Vasovagale Synkope oder Reflexsynkope
Dies ist die häufigste Synkopenart. Die Blutgefäße weiten sich reflexartig, dabei fallen Puls und Blutdruck ab. Auslösende Situationen sind langes Stehen auf einem Fleck, zu wenig Flüssigkeit, Hitze, stickige und enge Räume, üppige Mahlzeiten, starker Husten, Schlucken eiskalter Getränke, Freude, Schreck, Sehen von Blut oder auch Wasserlassen im Stehen. Meist sind junge Leute betroffen.

Orthostatische Synkope
Diese Art zählt zu den ernsthaften, aber nicht lebensgefährlichen Ohnmachten. Sie entsteht durch einen Abfall des Blutdruckes bei Wechsel der Körperlage vom Sitzen oder Liegen zum Stehen durch Fehlregulation des Nervensystems. Unterhalb eines Blutdrucks von 70 mmHg kann der Körper diesen Druckabfall nicht kompensieren und es kommt zu einer Bewusstlosigkeit.
Häufig sieht man derartige Synkopen z.B. bei Patienten mit Diabetes mellitus oder mit Nierenschwäche.

Herzbedingte Synkope
Die schwerste Form der Synkopen ist die sogenannte rhythmogene (durch Störung des Herzrhythmus ausgelöste) Synkope. Sie entsteht auf der Basis einer vorbestehenden Herzerkrankung und wird ausgelöst durch eine nicht selten lebensbedrohliche Störung des Herzrhythmus. Das Herz kann sowohl zu langsam schlagen, aber auch bedrohlich schnell. Nicht selten sind vor allem im höheren Lebensalter auch Herzklappenfehler oder Blutgerinnsel in der Lungenstrombahn für eine Synkope verantwortlich. Wenn der Verdacht auf eine rhythmogene oder kardiale (durch Herzerkrankungen hervorgerufene) Synkope besteht, sollte immer eine stationäre Einweisung zur Abklärung erfolgen.

Die schwerste Form der Synkopen ist die sogenannte rhythmogene (durch Störung des Herzrhythmus ausgelöste) Synkope.

Dr. med. Karin Rybak

Warum ist es so wichtig die Ursache zu finden bzw. zu kennen?

Dr. med. Karin Rybak: Grundsätzlich sollte jede Synkope untersucht werden. Es sollte geklärt werden, ob es sich um eine harmlose oder um eine gefährliche Ursache handelt. Und: Jede Synkope bietet auch immer die Gefahr einer Verletzung.

Am allerwichtigsten aber ist eine umfassende diagnostische Abklärung, wenn der Verdacht auf eine herzbedingte Synkope besteht. Hier kann eine lebensbedrohliche Situation für den Patienten entstehen, die ein schnelles Eingreifen erforderlich macht.

Wie gehen Sie bei der Abklärung vor und warum ist es wichtig auch einen Kardiologen aufzusuchen?

Dr. med. Karin Rybak: Grundsätzlich ist eine Synkopenabklärung schwierig, wenn das Ereignis nur selten auftritt!
Die Basis jeder Untersuchung ist eine sorgfältige Erhebung der Anamnese, das heißt die Befragung zur medizinischen Vorgeschichte des Patienten und den Umständen der Ohnmacht:
Hatte der Patient Vorwarnungen als Zeichen der drohenden Bewusstlosigkeit? Wie hat er die Situation empfunden? Wichtig ist auch die Befragung von Angehörigen, die den Vorfall beobachtet haben.
Der Hausarzt ist in der Regel zwar der erste Ansprechpartner, er verfügt aber nicht über die erforderliche Technik (z.B. Ultraschalluntersuchung des Herzens, Langzeit-EKG), die zur Abklärung erforderlich ist. Wichtig kann auch eine Zusammenarbeit mit einem Neurologen sein.

Am allerwichtigsten ist eine umfassende diagnostische Abklärung, wenn der Verdacht auf eine herzbedingte Synkope besteht. Hier kann eine lebensbedrohliche Situation für den Patienten entstehen, die ein schnelles Eingreifen erforderlich macht.

Dr. med. Karin Rybak

Die deutsche Herzstiftung hat auf ihrer Homepage dazu einen standardisierten Fragebogen entwickelt, den der Patient ausfüllen kann. Dieser Fragebogen ist für den Arzt eine solide Grundlage der Diagnostik.

Was spielt das Herz dabei für eine Rolle? Was sind Herzrhythmusstörungen? Welche Folgen kann das haben? Warum ist es so schwierig, diese aufzuspüren?

Dr. med. Karin Rybak: Das Herz spielt bei der Abklärung von Synkopen eine ganz zentrale Rolle. Wie bereits oben beschrieben, können Synkopen, die durch eine Herzrhythmusstörung oder eine andere Herzerkrankung verursacht werden, für den Patienten lebensbedrohlich sein.
Während Herzklappenfehler sicher durch eine Ultraschalluntersuchung des Herzens ausgeschlossen werden können, ist das bei Herzrhythmusstörungen mitunter extrem schwierig.
Der sicherste Nachweis ist die Aufzeichnung eines EKGs während der Rhythmusstörung. Grundsätzlich unterscheidet man einen zu langsamen Herzschlag oder sogar Pausen von mehreren Sekunden. Diese Herzrhythmusstörung ist gut behandelbar mit einem Herzschrittmacher.
Dem gegenüber stehen Herzrhythmusstörungen mit extrem schnellem Puls, mitunter über 200 Schlägen pro Minute. Das erfordert schnelles ärztliches Handeln! Hier kann die Implantation eines Defibrillators erforderlich sein oder das Problem kann durch eine sogenannte Ablation behoben werden.

Schwierig wird es dann, wenn die Rhythmusstörung nur sehr selten auftritt. Dann gelingt der Nachweis auch dann nicht, wenn z.B. ein Langzeit-EKG über mehrere Tage getragen wird. Auch beliebte Systeme, wie z.B. Smart Watches, sind hier keine zuverlässigen Helfer.

Schwierig wird es [die Diagnose] dann, wenn die Rhythmusstörung nur sehr selten auftritt. Dann gelingt der Nachweis auch dann nicht, wenn z.B. ein Langzeit-EKG über mehrere Tage getragen wird. [...] Eine Lösung kann für diese Patienten die Implantation eines sogenannten Herzmonitors sein.

Dr. med. Karin Rybak

Was ist ein Herzmonitor und wann setzen Sie ihn ein?

Dr. med. Karin Rybak: Wenn die kurzzeitigen Bewusstlosigkeiten in Intervallen von mehr als 4 Wochen auftreten, versagen viele der genannten Hilfsmittel.
Eine Lösung kann für diese Patienten die Implantation eines sogenannten Herzmonitors sein. Das ist ein kleines, 2,5 Gramm schweres Gerät, das in örtlicher Betäubung neben dem Brustbein unter sterilen Bedingungen eingesetzt wird. Der Eingriff dauert nur wenige Minuten. Der Patient ist nicht beeinträchtigt und kann das Krankenhaus oder die Praxis sofort nach dem Eingriff in der Regel verlassen.
Nicht beeinträchtigt heißt auch, das Gerät stört bei keiner der modernen Untersuchungsmethoden. Auch der Einsatz eines MRTs ist unter bestimmten Bedingungen ohne Probleme möglich.

Welchen Nutzen sehen Sie beim Einsatz eines Herzmonitors?

Dr. med. Karin Rybak: Der Herzmonitor registriert ca. drei Jahre lang kontinuierlich den Herzrhythmus des Patienten. Das bedeutet, dass auch bei sehr seltenen Rhythmusproblemen eine automatische EKG- Aufzeichnung gelingt. Der Herzmonitor speichert solche unregelmäßigen EKGs, diese können dann in der Praxis oder der Klinik vom Arzt jederzeit abgerufen werden.
Ein großer Vorteil der neuesten Generation der Herzmonitore ist, dass die Daten via Telemetrie fernüberwacht werden können. Zu diesem Zweck bekommt der Patient einen sogenannten "Patientenmonitor" von seinem Arzt. Über eine sichere Plattform werden die Daten des Herzmonitors an den Arzt übermittelt. Bei Problemsituationen wird der Arzt automatisch über das Ereignis informiert. Somit wird gewährleistet, dass der Herzrhythmus Tag und Nacht kontinuierlich überwacht wird und bei ernsthaften Rhythmusproblemen eine zeitnahe Behandlung durch den Arzt möglich wird. Die neuesten Modelle können sogar mit einer Patienten App verwendet werden.

Der Herzmonitor registriert ca. 3 Jahre lang kontinuierlich den Herzrhythmus des Patienten. Das bedeutet, dass auch bei sehr seltenen Rhythmusproblemen eine automatische EKG- Aufzeichnung gelingt.

Dr. med. Karin Rybak

Wie äußern sich bzw. wie erleben Sie Patienten mit einem Herzmonitor?

Dr. med. Karin Rybak: Natürlich machen sich die Patienten Sorgen, ob dieser kleine Eingriff problematisch ist.  Meine Erfahrung zeigt, dass Patienten nach dem ausführlichen Aufklärungsgespräch eine gewisse Sicherheit verspüren und die Vorteile der kontinuierlichen Herzbeobachtung sehen. Grundsätzlich sollten die Patienten immer mit ihrem behandelnden Arzt offen über ihre Bedenken sprechen, um die Diagnostikmöglichkeiten abzuwägen. Insbesondere bei seltenen Synkopen liegen die Vorteile bei einer langfristigen Beobachtung. Im Falle einer erneuten Synkope können die vom Herzmonitor aufgezeichneten Daten Ärzten bei der Wahl der weiteren Behandlung unterstützen. Ein unauffälliges EKG zu diesem Zeitpunkt kann auch ein Hinweis sein, dass die Synkope nicht durch eine Rhythmusstörung ausgelöst wurde.

Gibt es Risiken beim Einsatz eines Herzmonitors? Oder sehen Sie Nachteile?

Dr. Karin Rybak: Jeder chirurgische Eingriff hat natürlich ein Restrisiko, das im Falle des Herzmonitors sehr klein ist.
Möglich ist in sehr seltenen Fällen eine Infektion des Implantationsgebietes oder eine Unverträglichkeit gegenüber dem Material des Herzmonitors. Der Eingriff ist minimal und kann auch ambulant durchgeführt werden, der Patient hat keinerlei Einschränkungen im täglichen Leben. Für den Patienten überwiegen absolut die Vorteile und können die Beendigung eines langen Leidensweges durch wiederholte Synkopen bedeuten.
Es handelt sich hierbei um einen kleinen Routineeingriff. Herzmonitore gibt es seit über 20 Jahren. Die Geräte wurden seither kontinuierlich weiterentwickelt.

Für den Patienten können [Herzmonitore] die Beendigung eines langen Leidensweges durch wiederholte Synkopen bedeuten. Es handelt sich hierbei um einen kleinen Routineeingriff. Herzmonitore gibt es seit über 20 Jahren. Die Geräte wurden seither kontinuierlich weiterentwickelt.

Dr. med. Karin Rybak

Wir erleben häufig, dass sich viele Synkopen-Patienten auf einen Leidensweg begeben. Entweder sie gehen gar nicht erst zum Arzt oder aber in verschiedenen Fachbereichen werden viele Untersuchungen ohne konkrete Ergebnisse durchgeführt.
Was würden Sie – als Ärztin und Expertin – betroffenen Menschen raten?

Dr. med. Karin Rybak: Das ist genau das Problem. Irgendwann resignieren die Patienten natürlich auch, wenn immer und immer wieder viele Untersuchungen ohne Ergebnis gemacht werden. Abgesehen von oft unnötigen Krankenhausaufenthalten bedeutet das alles auch einen enormen Kostenfaktor für unser Gesundheitswesen, ohne dass dem Patienten geholfen werden kann.
Der Herzmonitor bietet eine reelle Chance, dem Patienten einen langen Leidensweg zu ersparen und vor allem eine wirksame Therapie einleiten zu können.
Informieren Sie sich bei Ihrem Arzt, ob er die Implantation eines Herzmonitors für erforderlich hält und wo die Implantation möglich ist.