Langzeitfunktionalität von Trans-
katheteraortenklappen
Transkatheterklappenersatz (TAVI)

Interview mit Prof. Dr. Wolfgang Rottbauer

Prof. Dr. Wolfgang Rottbauer

Valide Aussagen zur Langzeitfunktionalität von Transkatheter-Aortenklappen lassen sich über einen Zeitraum von fünf Jahren machen, berichtet im Interview Professor Wolfgang Rottbauer, Ärztlicher Direktor der Klinik für Innere Medizin II am Universitätsklinikum Ulm. Wissenschaftlich unscharf bleibt dabei, anhand welcher Kriterien sich die Degeneration biologischer Aortenklappen definieren lässt. Möglicherweise Einfluss auf die Langlebigkeit hat auch das Klappendesign – mit Vorteilen für die supraanuläre Position. Hinweise dazu liefern die kürzlich publizierten 5-Jahres-Ergebnisse der CHOICE-Studie. 

WELCHE DATEN GIBT ES HINSICHTLICH DER LANGZEITHALTBARKEIT VON TRANSKATHETER-AORTENKLAPPEN?

Prof. Wolfgang Rottbauer: Zunächst müssten wir da die Frage beantworten, wie überhaupt die Langzeithaltbarkeit einer biologischen Aortenklappe definiert ist und auf welche Studien sich solche Daten beziehen. Die Studien, die bislang Ergebnisse zur 5-Jahres-Haltbarkeit von Transkatheter-Klappen im Vergleich zu chirurgisch implantierten biologischen Herzklappen geliefert haben, beobachteten jeweils die Haltbarkeit der Sapien-Klappe von Edwards oder der CoreValveTM-Klappe von Medtronic. Aus diesen Vergleichen wissen wir, dass sich die Haltbarkeit der TAVI-Klappen bis zum fünften Jahr nach Implantation im Wesentlichen nicht von denen der chirurgisch implantierten Klappen unterscheiden; es gibt gar einen Trend zu schlechteren Langzeitergebnissen der chirurgischen Herzklappen im Vergleich zu den TAVI-Klappen. Klar beantwortet ist damit, dass das Crimping, die perkutane Prozedur und der spezielle Herstellungsprozess der am häufigsten verwendeten TAVI-Klappen gewiss nicht zu einer geringeren Haltbarkeit führen: Bis zum fünften Jahr nach Implantation ist weder eine schnellere Degeneration zu beobachten, noch entstehen vermehrt Dysfunktionen. 

Anhand welcher Parameter wird denn die Haltbarkeit biologischer Herzklappen bemessen?

Rottbauer: Da gibt es keine einheitliche Definition. Deshalb ist das auch für die wissenschaftliche Nachverfolgung das eigentliche Hauptthema: Was verstehen wir unter Klappendegeneration? Die meisten Studien – auch im chirurgischen Segment – beantworten das nie. Angegeben wird da immer nur der Zeitraum bis zur Re-Operation und bis zum Versterben des Patienten. Man ist aber bemüht verschiedene Kriterien für die Definition zu evaluieren, zum Beispiel das Leaflet Thickening, das Verdicken der Klappensegel. Das kann allerdings auch mit akuter Thrombosierung der Segel zu tun haben oder mit deren eingeschränkter Funktionalität. Auch die zentrale Insuffizienz wird herangezogen, die zum Beispiel durch eine Endokarditis getriggert sein kann, die eigentlich klassisch nichts mit der mechanischen Haltbarkeit zu tun hat, aber eine Komorbidität darstellt. Auch die Restenosierung der Klappe selbst könnte als Marker der Klappendegeneration dienen. Da kennen wir für biologische Herzklappen, TAVI-unabhängig, erste Risikofaktoren, die zu einer Beschleunigung dieses Degenerationsprozesses führen können, wie die Niereninsuffizienz oder das Patientenalter. Das Feld bleibt aber wissenschaftlich betrachtet sehr uneinheitlich, wie die Degeneration einer Herzklappe zu definieren ist. 

Evolut Pro Plus Transkatheterklappe

GIBT ES HINWEISE ODER DATEN, DIE AUF UNTERSCHIEDLICHE EIGENSCHAFTEN HINSICHTLICH DER LANGZEITEIGENSCHAFTEN DER VERSCHIEDENEN TAVI-KLAPPEN VERWEISEN?

Rottbauer: Kürzlich erst wurden die 5-Jahres-Daten der CHOICE-Studie* veröffentlicht. Dabei handelt es sich um eine kleine randomisierte Studie mit 241 Patienten, in der die Vorläufer-Modelle der Ballon-expandierbaren  Sapien-Klappe mit denen der selbstexpandierenden CoreValveTM-Klappe verglichen wurden. Im Trend zeigt CHOICE, ohne dabei statistische Signifikanz zu erreichen, dass die selbstexpandierende TAVI-Klappe mit ihrem supraanulären Design mit einer geringeren Gesamtsterblichkeit, einer niedrigeren kardiovaskulären Mortalitätsrate und mit weniger erneuten Krankenhausaufnahmen aufgrund einer Herzinsuffizienz verbunden war. Sogar statistisch signifikant war nach fünf Jahren die größere Öffnungsfläche (1,9 ± 0,5 cm2 vs. 1,6 ± 0,5 cm2; p = 0,02) der CoreValveTM-Klappe im Vergleich zur Sapien-Klappe und der niedrigere Druckgradient über die Klappe (6,9 ± 2,7 mmHg vs. 12,2 ± 8,7 mmHg; p = 0,001). Wenn wir aber jetzt aus dem Klappengradienten Klappenfunktion ableiten und nicht Öffnungsflächen, dann könnte das auch zu einer Fehlinterpretation der Degeneration führen. Da sind wir dann wieder beim Thema vom Anfang: Wie definieren wir Klappendegeneration oder auf Englisch „structural valve deterioration“? Aus der CHOICE-Studie, auch weil sie viel zu klein ist, lässt sich nicht beantworten, welche Klappe denn tatsächlich kaputt war. Wir wissen andererseits, dass turbulente Ströme auf jeden Fall Endothelschäden verursachen, die auch zur Klappendegenration beitragen können. Diese Hypothese ist äußerst valide. Günstigere Strömungseigenschaften könnten eine bessere Haltbarkeit der supraanulären CoreValveTM- bzw. deren Nachfolgemodell der EvolutTM PRO-Klappe im Vergleich zu einer anulärer Klappenposition begünstigen. Ob das so zutreffend ist, muss sicherlich weiter untersucht werden; Klappendesign bleibt aber nicht nur bezüglich Haltbarkeit, sondern zum Beispiel auch für den Zugang zu den Herzkranzgefäßen ein ganz wichtiges TAVI-Thema.

*Abdel-Wahab A et al., JACC Cardiovascular Intervention 2020; 13 (9): 1071-1082 https://doi.org/10.1016/j.jcin.2019.12.026